Überschüssiges Gewicht verlieren, täglich Zahnseide benutzen, die Laufschuhe aus dem Keller hervorkramen oder endlich die unordentliche Abstellkammer aufräumen: Über zwei Drittel der Österreicher*innen starten mit guten Vorsätzen in das neue Jahr, berichtet der Standard. Das ernüchternde Ergebnis davon ist, dass nach einer Studie von Statista 2021 nur 20 % ihre Neujahrsvorsätze zum Großteil erfüllen.
Die meisten Menschen haben es schon erlebt: Trotz Einsicht, dutzend guter Argumente, genügend Wissen um Angewohnheiten und Motivation für Besserung – langfristige Veränderungen unserer Angewohnheiten und unseres Verhaltens sind gar nicht so einfach! Zwar funktionieren unsere motivierten Vorhaben gut und gerne einige Tage, vielleicht sogar Wochen, die meisten von uns fallen jedoch schnell wieder in alte Verhaltensmuster zurück.
Warum ist das so? Der „Übeltäter“ hinter misslungenen Besserungsversuchen ist unser eigenes Gehirn. Dieses funktioniert nämlich ganz anders, als wir glauben: Zum Beispiel reagiert unser Denkmuskel auf einen zu starken Willen auf Dauer mit Ermüdung, auf Druck mit Gegenwehr und auf Selbstbestrafung (zum Beispiel beim Brechen des Naschverbots) mit einer Art Alarmzustand. Zu viel Willenskraft und Druck erzeugen demnach nicht mehr Motivation und schnellere Erfolge, sondern genau das Gegenteil. Sie führen dazu, dass wir uns selbst sabotieren und dem Gelingen unserer Vorsätze im Weg stehen. So gerne man möglichst schnell die Früchte der eigenen Anstrengungen und Ergebnisse der Motivation zu Veränderung sehen möchte; auch Ungeduld spornt uns nicht etwa an, sondern bremst uns sogar auf unserem Weg.
Unser Gehirn ist ein hochkomplexes Netzwerk aus zahlreichen Nervenzellen und -bahnen, die Zeit brauchen, um sich zu bilden und miteinander zu vernetzen. Wenn wir etwas lernen wollen, müssen die entsprechenden Verbindungen (= Synapsen) dafür erst geformt und die Informationen gespeichert werden. Besonders wichtig dabei sind typische Abläufe in unserem Alltag, die automatisch und ohne darüber nachzudenken erledigt werden können. Zuständig für diese Automatismen (die übrigens ungefähr 45 % unserer täglichen Tätigkeiten ausmachen) sind die sogenannten Basalganglien, die unsere Bewegungen wie eine Art Handlungsgedächtnis speichern und unser Verhalten so vorbereiten können.
Der Schlüssel zu langanhaltender Veränderung liegt also bei den eben genannten Basalganglien. Werden die erwünschten Verhaltensmuster hier gespeichert, gehen uns euch neue Rituale wie die wöchentliche Laufrunde oder die täglichen Achtsamkeitsübungen leicht von der Hand und werden zu neuen Gewohnheiten. Neurobiologe und Goldegg-Autor Dr. Marcus Täuber nennt die Formel für tiefgreifenden Wandel „Dreimal Drei gewinnt“. Die Basis dafür bilden drei Säulen und drei Regeln, die zusammen betrachtet die ultimative Erfolgsformel für das Erreichen unserer Ziele bieten:
- Säule: Wiederholung
Bestimmt haben Sie schon einmal von der „21-Tage-Regel“ gehört, nach der es mehrere Wiederholungen eines bestimmten Verhaltens über einen Zeitraum von 21 Tagen hinweg benötigt, um zu einer Gewohnheit zu werden.
Diese Regel ist zwar sehr populär, jedoch nicht belegt. Wie lange genau für neue Angewohnheiten benötigt wird, ist von Mensch zu Mensch verschieden und von vielen Faktoren abhängig. Was jedoch viel entscheidender ist als der Zeitraum, ist das Hilfsmittel des „Rituals“. Wiederholungen führen schneller zu wirksamen Veränderungen, wenn wir ein Verhalten beispielsweise immer um die gleiche Uhrzeit, in einer ähnlichen emotionalen Verfassung oder an dem gleichen Ort durchführen. Schaffen Sie sich Ihren eigenen Ablauf, um das gewünschte Vorhaben angenehm und regelmäßig durchzuführen!
- Säule: Emotion
Je weniger Emotionen mit einer Sache verbunden sind, desto mehr Wiederholungen brauchen wir, bis wir unser Verhalten beeinflussen können. Starke Emotionen funktionieren dabei sowohl in eine positive als auch in eine negative Richtung. Die Hirnforschung zeigt uns jedoch, dass wir vor allem auf angenehme Gefühle und Belohnung als Anreiz besonders schnell und einfach reagieren. Wenn ein guter Vorsatz auch noch emotional für uns bedeutend ist, fällt es uns umso leichter, diesen zu verwirklichen. Vielleicht möchten Sie Ihr Vorhaben gemeinsam mit geliebten Menschen umsetzen, sich selbst kleinere Etappenziele mit Belohnungen setzen, oder beispielsweise die Lieblingssongs zur täglichen Sporteinheit abspielen – Sie entscheiden, womit sie die neuen Gewohnheiten besonders angenehm gestalten können.
- Säule: Aufmerksamkeit
Kennen Sie das Sprichwort „Die Energie folgt der Aufmerksamkeit“? Ähnlich verhält es sich bei unserem Gehirn: Unsere Gedanken lassen sich bewusst in die Richtung lenken, in die unsere Aufmerksamkeit sie treibt. Folglich können wir auch steuern, was und wie tief sich neue Gewohnheiten in unser Gehirn einprägen sollen. Während es einerseits bei Problemen hilft, die Aufmerksamkeit bewusst auf das große Ganze zu legen und die Problematik mit mehr Distanz zu betrachten, können wir mittels Konzentration die emotionale Intensität (siehe zweite Säule) unserer Wünsche steigern. Sie allein entscheiden, in welche Richtung Sie Ihr Gehirn steuern!
- Regel Nummer 1: Flexibilität begünstigt Veränderung
Flexibilität ist ein wichtiges Instrument, um Prozesse besser steuern und somit erwünschte Ziele erreichen zu können. Dr. Marcus Täuber und Pamela Obermaier sagen dazu:
„Aus der Systemtheorie wissen wir, dass jenes Element, das am flexibelsten ist, die Entwicklung und den Ausgang einer Angelegenheit bestimmt. (..) Wer sich folglich in einer zwischenmenschlichen Beziehung wie einer Lebenspartnerschaft oder mit Arbeitskollegen flexibler im Kommunizieren zeigt, hat den größeren Einfluss darauf, wie ein Gespräch abläuft und ein Konflikt ausgeht.“
- Regel Nummer 2: Runter vom Gas!
Wer zu viel auf einmal oder alles zu schnell haben will, steht sich leicht durch zu viel Druck selbst im Weg. Unrealistisch hohe Ziele führen nicht selten zu Enttäuschungen und somit zu Demotivation. Langfristige Veränderungen benötigen Zeit, um sich allmählich daran zu gewöhnen und einen Weg zu finden, sie bestmöglich in den Alltag zu integrieren.
- Regel Nummer 3: Fokus auf den Start
Fokussieren Sie Ihren Blick lieber auf den nächsten Schritt, statt auf das Endziel. Wenn man sich beispielsweise statt „Ich will bis nächsten Sommer zehn Kilo verlieren“ sagt „Ich ziehe mir jetzt meine Laufschuhe an und laufe einmal um den Block“, kommt einem das Vorhaben gleich machbarer vor.
Sie sehen: Es ist nie zu spät für Veränderung, wenn man die richtigen Instrumente in der Hand hat! Mit ein wenig Motivation, Spaß an der Veränderung und den Tipps von Dr. Marcus Täuber wird auch der lästigste Neujahresvorsatz zu einer gewinnbringenden, gesundheits- und zufriedenheitsfördernden Gewohnheit. Noch mehr Themen, Tipps und Tricks aus der Neurowissenschaft finden Sie in den weiteren Goldegg-Titeln von Dr. Täuber.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Erfolg und ein glückliches Jahr 2022!
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Quellen:
Marcus Täuber, Pamela Obermaier: Alles reine Kopfsache! 5 Phänomene aus der Hirnforschung, mit denen Sie alles schaffen, was Sie wollen!, Goldegg Verlag 2018: Alles reine Kopfsache! – Goldegg Verlag (goldegg-verlag.com)
Österreich – Erfüllung von Neujahrsvorsätzen 2021 | Statista