Unser Sex muss positiver werden
Alle sechs Monate grüßt das Murmeltier. Zumindest bei uns im Verlag, wenn wir halbjährlich die Themen und Titel für das neue Programm planen. Neuerscheinungen stammen nicht immer (wie häufig angenommen) von unverlangt eingesendeten Manuskripten und Autor:innen, die bereits ein fertiges Konzept haben.
Oftmals werden zunächst Themen festgelegt und anschließend wird nach passenden Autor:innen gesucht. Auch umgekehrt kann es laufen. Dabei orientieren wir uns immer an aktuellen oder zukünftigen Trends, an Themen, die die Welt bewegen, die einen Diskurs anregen und das Bewusstsein erweitern. So lief es auch bei unserem Buch „Sexpositiv – Intimität und Beziehung neu verhandelt“ aus unserem letzten Frühjahresprogramm.
Im 20. Jahrhundert änderte sich durch gesellschaftliche Bewegungen unser Verständnis von Sex, Intimität und Lust grundlegend. Durch eine neu definierte Sexualmoral und die Auflösung der Ehe als Legitimation für sexuellen Kontakt wurde unsere Gesellschaft sexuell befreit. Dennoch blieben Begehren, Lust, Liebe und Partnerschaft stigmatisiert als Gefühle zwischen einem Mann und einer Frau. Das ist bis heute ein Problem, stellte unsere Lektorin Maria Schlager fest, als sie sich auf der Suche nach geeigneten Themen für unser Frühjahresprogramm befand. Sie erzählt:
„Die Frage, welchen Sex wir wollen, ist die Teilmenge der Frage, was wir vom Leben wollen. Als Verlagslektorin halte ich Ausschau nach Themen, die bewegen. In einem Magazin stolperte ich eines Tages über einen Beitrag zu sexpositiven Festivals. Was das ist? Ein Spielplatz für Erwachsene. Mit Spielregeln, Spielzeug und Spielen, die eine Auseinandersetzung mit dem Körper, mit Intimität und mit der eigenen sexuellen Identität anregen. Da gehts ans Eingemachte, war mein erster Gedanke. Das braucht Mut. Ich begann zu recherchieren, was und wer genau hinter diesen Festivals steht – und war bald mittendrin in einer neuen Welt: der sexpositiven Welt. Ein deutschsprachiges Buch, das sich explizit mit dieser Welt beschäftigt, fand ich allerdings nicht. Also los!
Über verschiedene Umwege stieß ich auf Beatrix Roidinger und Barbara Zuschnig, bei denen ich mit meiner Buchidee offene Türen einlief. Wir diskutierten und feilten gemeinsam am Thema. Als Lektorin kann ich mit meinen Büchern zum öffentlichen Diskurs beitragen und das Bewusstsein für gesellschaftlich relevante Themen erhöhen. In ‚Sexpositiv‘ ermutigen die Autorinnen zu einem offenen und tabulosen Umgang mit Sex in all seinen Spielarten und beantworten Fragen zu nicht-monogamen Lebensformen. Medien – auch Bücher – sind ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Meinungsbildung und können daher einen bisher ungehörten Ton für eine ‚neue Normalität‘ in der Sexualität und in Liebesbeziehungen anschlagen.
‚Je weiter unsere Vorstellung von Sexualität ist, desto weiter ist sie auch von der Welt‘, schreiben Beatrix Roidinger und Barbara Zuschnig in ihrem Buch ‚Sexpositiv – Intimität und Beziehung neu verhandelt‘. Am 22.3.2021 kam es in den Buchhandel. Den Button ‚Dieses Buch kann Ihr Leben verändern‘ am Buchumschlag halte ich nicht für übertrieben. Mein Leben hat es bereits verändert!“
Seit einigen Jahren werden verstärkt auch Sichtbarkeit und Akzeptanz von Menschen gefordert, deren sexuelle Identität, sexuelle Orientierung oder deren Geschlecht nicht in die einengend-binäre Polarität passt. Die Sexpositiv-Bewegung fördert einen achtsamen und selbstbewussten Umgang mit dem eigenen Körper, individuellen Wünschen, mit sexuellen Bedürfnissen und den eigenen Grenzen. Jeder Mensch sollte genügend Raum zum Experimentieren und für die persönliche Weiterentwicklung bekommen und so abseits von Konventionen und Tabus zu der Beziehung und Sexualität finden, die zum eigenen Leben passt.
Noch mehr zum Thema Sexpositiv finden Sie in dem Buch „Sexpositiv – Intimität und Beziehung neu verhandelt“ von Beatrix Roidinger und Barbara Zuschnig.
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Quellen:
Beatrix Roidinger, Barbara Zuschnig (2021): „Sexpositiv: Intimität und Beziehung neu verhandelt“, Goldegg Verlag: Sexpositiv – Goldegg Verlag (goldegg-verlag.com)